LAMPERTHEIM – Vorsichtige Freude auf der einen, heftiges Abwinken auf der anderen Seite: Am Donnerstagvormittag teilte Hessens Verkehrsminister Tarek Al-Wazir mit, dass der Planfeststellungsbeschluss für die B 47 Ortsumgehung Rosengarten unterzeichnet ist. Die 3,6 Kilometer lange Umgehung soll den kleinen Spargelstädter Ortsteil vom Durchgangsverkehr auf der Bundesstraße 47 entlasten. Doch die Reaktionen auf die Unterschrift könnten unterschiedlicher nicht sein. Während beispielsweise Ortsvorsteher Horst Werner Schmitt die Unterzeichnung begrüßt, könnte vonseiten der Landwirte aufgrund der befürchteten Flächenverluste eine Klage drohen.

Es ist ein klassisches Kaugummi-Thema, das sich zieht und zieht, an seiner Wirkung aber bis heute nichts verloren hat. Bereits im November 1996 betonte der damalige Lampertheimer Bürgermeister Jürgen Dieter die Bedeutsamkeit einer Ortsumgehung für Rosengarten, und bezeichnete es als „unerlässlich, die Ostumgehung im Norden an die L 3110 anzubinden.“ Zwanzig Jahre später hat sich am Sachverhalt nichts geändert. Nur die Zahlen haben sich nach oben verschoben. „Rosengarten wird heute von rund 20 000 Fahrzeugen täglich durchquert. Bis zum Jahr 2025 wird eine Zunahme auf über 23 000 Kraftfahrzeuge erwartet. Beim Bau der Umgehungsstraße wären es dagegen nur noch 2 600 Fahrzeuge am Ortsrand und 900 im Ortskern“, teilt das Hessische Ministerium mit.

Südlich des kleinen Stadtteils soll die Umgehung deshalb verlaufen und zu einer erheblichen Entlastung beitragen. „Da es sich um eine Bundesfernstraße handelt, ist die Finanzierung Aufgabe des Bundes. Die Gesamtkosten einschließlich des Grunderwerbs werden gegenwärtig mit rund 25,8 Millionen. Euro veranschlagt“, verrät Wolfgang Harms, Pressesprecher des Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung, auf Nachfrage unserer Zeitung.

Der Planfeststellungsbeschluss soll umfassende Schutz- und Ausgleichsmaßnahmen für Anwohner, Natur und Umwelt festlegen. Eine rund 675 Meter lange Lärmschutzwand ist zum Abhalten der Fahrgeräusche vorgesehen. Die bei einem Bau der Umgehung erforderlichen Rodungen würden laut Ministerium mit Aufforstungen ausgeglichen werden. Unter anderem sollen Flächen im Rheinvorland entsiegelt werden, so dass sich dort Auenwald entwickeln kann.

„Um die Ortsdurchfahrt vom Verkehr und die Bürger Rosengartens vom Lärm zu entlasten, ist diese Ortsumgehung unbedingt notwendig. Zugleich geht es darum, mit der Ortsumgehung von Rosengarten die Bundesstraße 47 als entscheidende Ost-West-Querspange zwischen den Autobahnen A 5, A 67 und A 61 weiter zu ertüchtigen“, freute sich der Bergsträßer Bundestagsabgeordnete Dr. Michael Meister (CDU) über die Nachrichten.

Froh, aber nicht zwingend euphorisch reagiert auch Rosengartens Ortsvorsteher Horst Werner Schmitt. „Ich feue mich, dass Al-Wazir seinen Kugelschreiber gefunden hat, das ist eine erfreuliche Nachricht. Nach dem Brückenbau ist das ein weiteres Mosaiksteinchen. Jetzt ist es wichtig, dass wir ‚VB+‘ bekommen, also als ‚Vordringlicher Bedarf‘ eingestuft werden. Worms hat damals nach einem Jahr seine 30 Millionen bekommen. Ich hoffe, dass das bei uns im nächsten Jahr ähnlich passieren wird“, so Schmitt. Bereits in den 70er Jahren sei von einer Ortsumgehung für Rosengarten die Rede gewesen. „Früher hätte ich noch jedem Autofahrer die Hand geben können, heute ist die Belastung bei Tag und bei Nacht sehr hoch. Es wäre eine Entlastung, nicht nur für die Anwohner, sondern für alle Autofahrer wie auch für die Wirtschaft“, sagt Schmitt in Anspielung auf die Logistikzentren im Umkreis und den stetig ansteigenden Lkw-Verkehr.

„Nach langen Jahren politischen Ringens ist für die geplante Ortsumgehung Rosengarten jetzt eine wichtige Hürde genommen worden. Ich freue mich über diesen großen Fortschritt und hoffe, dass eine zügige Umsetzung folgt“, teilte auch der CDU-Landtagsabgeordnete Alexander Bauer mit. Der mögliche Baubeginn hänge laut Ministeriums-Pressesprecher Harms nun davon ab, wie schnell der Bund die notwendigen Mittel bereitstellt und wie schnell der Planfeststellungsbeschluss bestandskräftig wird, ob also Klagen erhoben werden. Das die Landwirte genau zu diesem Mittel greifen, befürchten insbesondere Dr. Meister und Horst Werner Schmitt. Dazu der Lampertheimer Landwirt und Vorsitzender der CDU-Mittelstandsvereinigung (MIT), Werner Hartmann: „Ganz klar, Gewehr bei Fuß. Wir (die Landwirte) werden in die Klage gehen. Der Planungsbeschluss ist alles andere als tragbar, die Flächenverluste werden wir nicht hinnehmen. Unsere Vorschläge, wie beispielsweise Häuser umzusiedeln, wurden abgelehnt.“ Stattdessen spricht er sich weiterhin für eine vierspurige Ortsdurchfahrt aus, um Flurbereinigungen zu umgehen. Dem Grundsatz, dass eine Entlastung für Rosengarten „schnellstmöglich“ erfolgen muss, stimmt aber auch er zu.

Landwirt Dr. Willi Billau, Vorsitzender des Regionalbauernverband Starkenburg, sagt dagegen, dass er als Vertreter der Landwirte erst einmal eine Umfrage starten wolle. Nur, wenn sich die Mehrheit der Bauern gegen den Beschluss ausspreche, wolle man eine Klage einreichen. Mit dem Beschluss anfreunden möchte sich aber auch Dr. Billau nicht: „Verschiedene Alternativen wurden nicht ernsthaft geprüft. Mit der Ortsumgehung wird guter Boden verschleudert, es gebe günstigere Möglichkeiten. Das hat nichts mit den Anwohnern Rosengartens zu tun, sondern ist eine Prinzipfrage“, betont der Landwirt.

Das Thema bleibt also auch trotz der Unterschrift Al-Wazirs spannend. Nach den hessischen Sommerferien solle der Planfeststellungsbeschluss in den Gemeinden Lampertheim und Bürstadt ausgelegt werden. „Ich bin froh, dass durch die Unterzeichnung des Beschlusses nun die Folgeschritte angegangen werden können, wie die Auslegung des Plans und die Frage, wie jeder Einzelne damit umgeht. Es wäre günstig, wenn wir nicht in ein Klageverfahren kommen, wenn es unstrittig wäre“, betonte Bürgermeister Gottfried Störmer.

Wenn die Ortsumgehung tatsächlich erfolgt, sollen große Teile der alten B 47 und anderer Straßen zurückgebaut – also zu einer Sackgasse werden. „Ich hoffe, dass ich das noch erleben werde. Dann würden wir ein Fest auf der alten B 47 feiern“, hofft Ortsvorsteher Schmitt, dass sich eine vierzig Jahre währende Arbeit am Ende auszahlen wird.

Mit freundlicher Genehmigung der Lampertheimer Zeitung

www.lampertheimer-zeitung.de

Quelle: Lampertheimer Zeitung vom 13.08.15