ORTSUMGEHUNG Landwirte aus Rosengarten begründen ihre Klage mit irreparablen Flächenverlusten

ROSENGARTEN – Die Debatte um die Ortsumgehung Rosengarten geht weiter: Schien die viel diskutierte Verkehrsmaßnahme im vergangenen Sommer mit der Unterzeichnung des Planfeststellungsbeschlusses durch Verkehrsminister Tarek Al-Wazir sozusagen schon in die Zielgerade einzubiegen, so drückten die betroffenen Landwirte mit einer beim Verwaltungsgerichtshof eingereichten Klage im vergangenen Oktober gehörig auf die Bremse. Seitdem befindet sich das Projekt wieder in der Schwebe, ein Termin für eine mündliche Verhandlung steht noch im Raum. Am Freitagvormittag nun gaben die Kläger bei einer Pressekonferenz im Restaurant Krug im Rosengarten die Argumente für ihren Einspruch bekannt.

Der Schauplatz war bewusst gewählt, denn der auf den Spargelanbau spezialisierte Alexander Krug zählt zu den fünf Musterklägern, wie auch Bernd Haas. „Wir machen das nicht, um jemanden zu ärgern. Das ganze Verfahren bereitet uns auch keine Freude“, machte der Experte für Frischsalate deutlich. Gemeinsam mit den drei weiteren Klägern, Arno Schuhmacher (Kürbisse), Wolfgang Steeg (Blumen und Erdbeeren) sowie Stefanie Beck (Inhaberin eines Reitstalls) biete sich aber das volle Spektrum der Betroffenheit. Der zu erwartende Flächenverlust für die Landwirtschaft liege bei 21 Hektar. Rechtsanwalt Matthias Möller-Meinecke sprach deshalb von einer Existenzgefährdung. „Die Motivation der Landwirte ist die gesunde Ernährung in der Region sicherzustellen“, so der Anwalt. Diese Aufgabe könne durch den erheblichen Landverlust nicht mehr garantiert werden, auch Arbeitsplätze gingen verloren. Geograf Wulf Hahn von „RegioConsult“ stellte zudem die Notwendigkeit einer Ortsumgehung für Rosengarten infrage. Der Planfeststellungsbeschluss fuße auf einer Verkehrsprognose aus dem Jahre 1998, die mit falschen, weil zu hohen Zahlen hantiere. „2010 waren die Verkehrszahlen an der Rheinbrücke um fast 60 Prozent geringer als damals prognostiziert wurde“, erklärte Hahn. Östlich der L 3110 sei nach einer aktuellen Verkehrsuntersuchung des Ingenieurbüros „Heinz + Feier“ für das Jahr 2025 mit bis zu 1 7800 Fahrzeugen pro Tag und nicht wie mit bisher kalkulierten 22 800 Fahrzeugen zu rechnen. Ein Großprojekt, wie eine vierspurig, autobahnähnliche ausgebaute B 47, erscheine daher ungeeignet. „So eine geplante Straße wäre überdimensioniert und der dadurch erforderliche Flächenverbrauch nicht gerechtfertigt“, erklärte Hahn. Auch seien die Eingriffe in den Naturhaushalt und in die Tierwelt artenschutzrechtlich nicht ausreichend untersucht worden. So forderte der Geograf beispielsweise eine Feldhamsterkartierung.

„Die Landwirte sagen nicht einfach Nein, sie haben mit einem erheblichen Kostenaufwand Alternativen entwickelt“, betonte Möller-Meinecke. Tatsächlich zog Hahn sodann fast schon in Vergessenheit geratene Varianten wie eine Trog- oder Tunnellösung aus der Schublade. Auch mit diesen Varianten könnte der Verkehrslärm für die betroffenen Anwohner gemindert und die Landwirte von einem Flächenverlust verschont werden.

Knapp 20 weitere landwirtschaftliche Betriebe der Region wissen die Musterkläger hinter sich. Einer von ihnen ist Dr. Willi Billau, der Vorsitzende des Regionalbauernverbandes Starkenburg, der den Flächenverlust der Landwirte im Generellen beklagte. 60 000 Hektar hätten die Bauern Starkenburgs gegenwärtig zur Verfügung, zirka zwei Hektar würden täglich der Erschließung neuer Gewerbe-, Wohngebiete oder anderen Nutzflächen zum Opfer fallen. „Wenn wir das hochrechnen, stehen wir in 83 Jahren ohne Ackerböden dar. Das ist ein langes Menschenleben, aber wenn es durchlebt ist, haben wir keinen Acker mehr in Starkenburg“, prophezeite Dr. Billau. Die gesunde Nahrungsmittelproduktion vor Ort müsse in Lampertheim daher gewährleistet werden.

Ob den betroffenen Landwirten überhaupt genügend Kompensationsflächen zur Verfügung gestellt werden können, bezweifelte Rechtsanwalt Möller-Meinecke zudem. Aufgrund bevorstehender Großprojekte wie die Verlegung einer ICE-Trasse oder der Erweiterung des Gewerbegebiets seien eher weitere Flächenverluste zu befürchten.

Nach der eingereichten Klage warten die Landwirte und ihr Rechtsbeistand nun auf eine Klageerwiderung seitens des Verkehrsministeriums. Noch zwei bis drei Jahre könne es laut Möller-Meinecke dauern, bis mit dem Prozess begonnen wird. Und dieser könne sich dann auch noch mal in die Länge ziehen. „5 bis 8 Jahre“, vermutete der Rechtsanwalt. Die Debatte um die Ortsumgehung wird die Bürger und Bauern Rosengartens also auch weiterhin beschäftigen.

Von Marco Partner

Mit freundlicher Genehmigung der Lampertheimer Zeitung

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Quelle: Lampertheimer Zeitung vom 27.02.16